ARBEIT (1): Arbeiterinnen (w, d, m)
20.06. 2025 ca. 6 min. Lesezeit
Demokratie als vom Demos, dem Volk getragene beste aller schlecht möglichen Staatsformen lebt von Mehrheiten, die gebildet werden, um Staat und Gesellschaft trag- und lebensfähig zu erhalten. Welche Wechselwirkungen und Interaktionen treten da wie zutage? Und wie äußert sich das auch im Verhältnis zwischen Staat(en) und Gesellschaft(en)? Also zwischen „Demos als grundgesetzlichem Souverän“ und „res publica als Erbe der Römischen Republik“, die sich selbst über die Jahrhunderte erst verfassungstechnisch immer wieder neu definiert und formiert hat, und die in Deutschland als sehr jungem Nationalstaat ja auch mit eher „tribalistischen Elementen germanischen Erbes“ verknüpft ist?
ARBEIT ist da Überschrift und Haupt-Identifikationsmuster, Mehrzweck und Schwerpunkt aller Interaktionen. „Selbstwert und Mehrwert“, „Würde und Anerkennung“ sind da vier weitere Aspekte, die es im Kontext mit dem Begriff der ARBEIT weiterhin zu untersuchen gilt. Wertigkeiten und Abhängigkeiten und (grund-) rechtliche Ansprüche und Wirklichkeiten gegen- und miteinander von Einzelperson als Teil des Demos und regierungsfähigen Mehrheiten sollen da in der Folge derzeit gängigen Identitätsmustern gegenübergestellt werden. Identitätsmuster, die wiederum maßgeblich Interaktionen prägen. Auch zwischen Staat(en) und Gesellschaft(en), (In-) Dividu(en) und Mehrheiten suchenden Organen der politischen Willensbildung. ARBEIT wird somit zum Kernelement jeder Erzählung. Zu Bezugs- und Fluchtpunkt von Subjekt, Objekt und Prädikat. Zur maßgeblichen Syntax beim Bau, und Um- und Weiterbau von Staat und Gesellschaft.
Insofern wollen wir uns nun erst einmal den (Haupt-)Akteuren, Arbeiterinnen und Arbeitern (Teil 2) also zuwenden.
Arbeiterinnen
Der Anfang ist immer weiblich. Auch wenn die Henne feminin, das Ei aber im Deutschen als Neutrum, in romanischen Sprachen maskulin bestimmt ist. „Care-Arbeit“ ist in diesem Zusammenhang ein heute häufig verwandter Begriff, der mit dem Muttersein, mit der Kindeserziehung, aber auch mit der Pflege von Kranken, insbesondere häufig den eigenen Eltern verknüpft ist. Auf die Mutterrolle fixiert würde „Care-Arbeit“ mit der Entbindung, der Geburt eines Kindes also beginnen.
Anrecht auf Elternzeit für Männer und Frauen besteht erst seit 2007. Bei Einführung des Gesetzes hat (m) ein damaliger Arbeitgeber großspurig verkündet, dass in seinem Unternehmen alleine die Beantragung durch einen der Kollegen für ihn ein Kündigungsgrund sei. Ausnahme oder Regel? Vorwiegend von Frauen geleistete „Care-Arbeit“ verspricht wenig bis gar keinen unternehmerischen Gewinn. Sie bleibt, wie auch Britta Sembach betont, ohne Preisschild im Rahmen gängiger volkswirtschaftlicher Produktivitätsmessungen im BIP unsichtbar. Entsprechend gering ist das gesellschaftlich medial gesteuerte Ansehen. Bei Schwangerschaft wie bei Elternzeit. Für Frauen wie für Männer. Im Zuge des Abdriftens der Gesellschaft(en) und der sie tragenden Politik nach rechts werden zudem traditionell hierarchische bis subtil autokratische, patriarchalisch bestimmte Geschlechterrollen neu verankert. Die dabei beschworene „orthodoxe oder neoklassische Ökonomie“ oder „Neoliberalismus“, wie auch immer man das, was uns da nährt und zunehmend gefangen hält nennt, werden hinzugezogen, um traditionelle Rollenbilder der „Aufopferung“ und des emotionalen Aufgehens in unsichtbarer und letztlich gemäß herrschender Ideologie volkswirtschaftlich irrelevanter Pflege und Fürsorge festzuschreiben. Ökonomie wird dabei einmal mehr vom politischen und vom sozialen Denken und Handeln komplett abgetrennt. Der Streit um die Deutungshoheit dessen, was „Moderne“ ausmacht, bleibt dabei vordergründig. Soziale und familiäre Verantwortung, die im vermeintlichen Siegeszug der „liberalen Demokratie“ über Jahrzehnte in den Köpfen implantiert wurden, wie auch Max Hauser eindrücklich darstellt, bleiben unsichtbar und unbezahlt und damit sowohl im privaten, als auch im öffentlichen politischen Raum unbeachtet. Bedeutungslos sind sie nicht. Sie tragen Gemeinschaft und damit auch Gesellschaft. Sie werden von der herrschenden Ideologie jedoch einfach vorausgesetzt. Der Widerspruch zu den Realitäten einer alternden * Gesellschaft, die Input von außen und innen benötigt, wird verleugnet.
Aber, wie sagte vor kurzem noch ein guter Freund: „Modern ist, was bleibt.“
Auch die vorher eher radikale, gegen das Patriarchat als diffuse Größe in jedem Moment in ihren Charakteren anschreibende Schriftstellerin Mareike Fallwickl hat inzwischen ein Essay publiziert mit dem Titel „Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen“.
Die so genannte „Gender Pay Gap“, die statistische Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern mit denselben Qualifikationen im Job dokumentiert insofern einmal mehr, wie Arbeit eigentlich eher willkürlich alleine gängigen Produktivitätsfaktoren gemäß im BIP mess- und darstellbar honoriert wird. Der politische Wille von unternehmerischem Gewinn und grenzenlosem Wachstum ist männlich. Oder: er entspricht männlich dominierten Idealen. Die Frau als Erfüllungsgehilfin dieser eher willkürlichen Prinzipien liefert per se schon genügend Gründe für ihre Abwertung. Die rechts gerichtete Orientierung der Gesellschaft zurück in nostalgisch verbrämte Rollenklischees wird das weiter vertiefen. Aber die „Gender Pay Gap“ wird sich tendenziell eher weiter schließen. Frauen, die im Job „ihren Mann stehen“ werden besser bezahlt werden. Ansehen und entsprechende Vergütung von „Care-Arbeit“ per se als emanzipatorisch auf eine fürsorgliche Gegenwart und Zukunft ausgerichtete Zusammenarbeit indes ist ein besserer Indikator für gesellschaftliche Emanzipation als die „Gender Pay Gap“. Die „Gender Care Gap“ vermag dies etwas zu verdeutlichen.
Fazit (1)
Statistiken und ihre grafischen Darstellungen wie hier von destatis 2024 vermögen trotz aller Deutlichkeit immer nur fragmentierte temporäre Wahrheiten wiederzugeben. Implikation und Assoziation, insbesondere im Kontext mit Handlung als sozioökonomische und politische Größe obliegen der jeweiligen Interpretation. Sie vermögen jedoch auch zu (Ver-und Aus-) Handlungsempfehlungen überzuleiten.
Ein „kultureller Wandel“, der sich deutlich auch in Rollenbildern und ihren jeweiligen (Selbst-) Verständnissen ausdrückt, wird nur durch ein stärkeres Miteinander und intensivierte Interaktion zwischen und mit Frauen, Männern, diversen Menschen, Kindern und alten Menschen vonstatten gehen können. „Sharing is caring“ geht da weiter. Die Missachtung der tragenden Rolle von „Care-Arbeit“ in der herrschenden Blase der Ideologie bietet notwendige Angriffsflächen. „Der Kampf um die Familie“ und „rechter Familismus“ in der Haltung von Vertretern der „orthodoxen Ökonomie“ erfordern vielfältige solidarische Impulse, wie auch Friederike Bayer konstatiert. Impulse, die dann in Interaktionen und in Programmen münden.
Es geht dabei einmal mehr um Um- und Weiterbau von Staat (en) und Gesellschaft (en). Der Akt des An- und Aufgreifens von immer größer werdenden Feldern, deren Umgang von Seiten der herrschenden ideologischen Blase durch Missachtung bis hin zur Verleugnung charakterisiert ist, indes erfordert mehr „sowohl, als auch“, als nur ein „entweder – oder“.
„Kindheit als prekäre Angelegenheit in der alternden Gesellschaft“ und medial gepushte Generationenkonflikte machen das Thema der Care-Arbeit noch akuter. Der Um- und Weiterbau von Schulen zu Community-Centern, zu Begegnungsstätten für jung und alt über den Schulalltag hinaus, wie Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier unter anderem fordern, weisen einmal mehr auf Bauen als existenzielle Tätigkeit hin. Als Akt transdisziplinärer Zusammenarbeit in allen Phasen des Planens und Bauens. Als Um- und Weiterbau auch von Gemeinschaft (en). Also auch von Staat (en) und Gesellschaft (en) darin. Als Handlungsfähigkeit, die damit auch zu Teil 2, Arbeitern (m / d / w) hinweist.
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* Hier stand zuerst der gängige, letztlich aber eine ganz wesentliche Gruppe zwischen den Generationen abwertende Terminus der „überalterten Gesellschaft“. Nach Lektüre von „Kinder - Minderheit ohne Schutz“ wurde dieser durch die „alternde Gesellschaft“ ersetzt.
Danke einmal mehr an Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier. (29.06.2025)