„Bezahlbarer Wohnraum“ 2 - Wettbewerb


Ideen- und Realisierungswettbewerb für modular / industriell zu erstellenden Wohnraum

 

Ausgangslage: Der Mangel an sog. "bezahlbarem Wohnraum" in Ballungsräumen / Städten und die sog. "Flüchtlingskrise" werden über kurz oder lang zu weitergehenden Spannungen aufgrund von zunehmenden Versorgungsengpässen – Jobs, Sozialkassen der Kommunen etc. führen.

Der „Kampf der Kulturen“ – die Angst vor dem Fremden erschwert Vieles, was zur Integration der Neu-Ankömmlinge erforderlich ist.

Eine ganz wesentliche Herausforderung an Stadt- und Regionalplanung per se.

 

Die FAZ titelte am 6. November 2015 noch: „Die Stunde der Architekten - Für Flüchtlinge müssen Hunderttausende von Häusern gebaut werden. Der Wohnungsbau entscheidet mit über die Zukunft des Landes. Wo bleiben die großen Entwürfe?“

In der ZEIT erschien ein Tag zuvor ein Titel: „"Ja zur Platte!"

In der Flüchtlingskrise werden billige Wohnungen noch knapper. Was tun? Wohnstandards senken! Das fordert der Berliner Architekt und Publizist Philipp Meuser im Gespräch. Sollen wir sogar zum Plattenbau zurückkehren?“ 

In einer ersten Reaktion auf den Wohngeld- und Mietenbericht 2014 der Bundesregierung sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes (ZDB), Felix Pakleppa am 1. November 2015: „Gegen steigende Mieten hilft nur Bauen ... aber nicht für 2.500 Euro/m²“.

Der ZDB schätzt mit Hilfe einer Studie des Pestel-Instituts (Hannover) für die nächsten fünf Jahre : „Deutschland braucht 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.“

Auch Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks lud bereits zu einem Spitzengespräch der Bau- und Wohnungswirtschaft, wo die Erfordernis von „Integration statt Ghettobildung“ betont wurde.
Und – der Düsseldorfer SPD-MdB Andreas Rimkus berichtet auf seiner Homepage am 5. November 2015:
„Neues Förderprogramm für Azubi- und Studentenwohnungen startet.“

Es bewegt sich also durchaus etwas im Lande. 

Weiterhin sagt der Düsseldorfer Immobilienmakler Dr. Wulff Aengevelt in einem ZEIT-Artikel mit dem Titel: „Flüchtlingsunterkünfte – die Goldgrube“, je attraktiver Art und Lage der Unterkunft auch für andere Bevölkerungsgruppen seien, desto unabhängiger mache man sich von der Frage, wie viele Flüchtlinge tatsächlich blieben. Das spricht für möglichst normale Wohnungen. Und damit gegen eine eigene Assetklasse.“

 

Fazit: Eine klug vorausschauende Rückbesinnung auf die "soziale Marktwirtschaft" würde bedeuten, dass Bauen + Planen = Integration + Partizipation - ohne Aufweichung von Mindestlohn etc. vonstatten gehen - dass der Gesetzgeber erkennt, dass Probleme / Herausforderungen gemeinsam angegangen werden müssen - zum Wohle aller - im Sinne von funktionierenden "konkurrierenden Gesetzeshierarchien" zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

 

Lösungsvorschlag: In einem offenen, europaweit  ausgeschriebenen Ideen- und Realisierungswettbewerb sollen die besten Konzepte für modular / industriell zu erstellenden Wohnraum prämiert und als Musterkataloge zur Produktionsreife weiterentwickelt werden.

 


Ziele – bautechnisch -  baurechtlich - wirtschaftlich:

  • Fertigungskosten von 1500 € / m2 statt 2500  € / m2
    (Wohncontainer und allgemein – Wohnungsbau in Ballungszentren derzeit)
    Diese Wohnmodule sollen also über den temporären Container-Bau hinausgehen.
  • Es sollen also Module entwickelt werden, die nachhaltige und innovative,  flexibel nutzbare Wohnbauprojekte ermöglichen.
  • Module, die dem gesteigerten Bedarf an „bezahlbarem Wohnraum"  unter dem zusätzlichen Druck der "Flüchtlingskrise" begegnen und somit auch im Mehrgeschoss-Wohnungsbau einsetzbar sind,
  • Module, die also in Höhe und Materialität flexibel und vor allem – innerhalb der verschiedenen Landesbauordnungen genehmigungsfähig sind.
  • Dafür bedarf es zusätzlich zu vorhandenen Systemen auch der Tragwerks- und Anschlussmodule und der Berücksichtigung vielfältiger anderer Parameter zur Vermittlung zwischen gestalterisch / funktionalen und baurechtlich / strukturellen Themen.
  • Ganz wesentlich dabei ist im Hinblick auf den Zeit- und Kostenfaktor der hohe Grad an industrieller Vorfertigung, der dabei die Baukosten entscheidend senken und Bau- und Genehmigungszeiten verkürzen soll.
  • Teilnehmer sollen Arbeitsgemeinschaften aus Architekten, Stadtplanern und Fachingenieuren sein – hier bevorzugt natürlich Brandschutz-Sachverständige, die also entsprechend die baurechtlichen Parameter prüfen und gewähren sollen.
  • Andere Gutachten von Fachingenieuren oder Stellungnahmen von Sachverständigen sollten dann ggf. im Anschluss – in einer zweiten Runde mit engerer Auswahl erstellt werden – also ENEV  - Energiebilanz und Bauphysik, Statik, Herstellungskosten etc. In erster Linie handelt es sich trotz aller bautechnischer und baurechtlicher Parameter und Vorgaben um einen architektonisch-städtebaulichen Wettbewerb. 
  • Baukasten-Systeme, die von 5-7, vielleicht auch 10-12 oder mehr Teams von Wettbewerbsgewinnern in mehreren zu definierenden Entwurfskategorien entwickelt wurden sollen dann schnell im Rahmen von Musterkatalogen einsatz- und industriell produktionsfähig sein.
  • Wichtig ist, dass zeitnah eine Vielfalt von Ideen und Konzepten geprüft werden und einige Gewinner dann als „Systemlösungen“ zur Genehmigungsfähigkeit bei Material-Prüfanstalten (MPAs) und anderen bundesweit relevanten Behörden im Rahmen des föderalen Baurechtes gebracht werden können.
  • Eine vertiefte Zusammenarbeit mit der (Bau-) Industrie ist dabei gleichfalls ein wesentliches Planungs- und Fertigungsziel.

 

Ziele – sozio-ökonomisch – ökologisch - volkswirtschaftlich - migrationspolitisch:

  • Somit sollte eine größere Entspannung auch zwischen Flüchtlingen / Neu-Ankömmlingen und Einheimischen entstehen – gerade auch in Ostdeutschland
  • Eine Erweiterung der Märkte mit vielen neuen Jobmöglichkeiten für beide Gruppen – Einheimische wie Neu-Ankömmlinge sollte schnellere Integrations- / Inklusionsprozesse ermöglichen.
  • „Vielfalt statt Einfalt“ soll auch im Hinblick auf den mittel- und langfristig sich verschärfenden „demografischen Wandel“ darstellbar sein. Ausbildung und Integration erfolgen am Projekt – im Programm. Somit entsteht auch eine größere Identitätsstiftung für die vielen Beteiligten.
  • Auch das Thema der „Energiewende“ kann in diesem Zusammenhang wesentlich forcierter angegangen werden.
  • Gleichwohl gilt es, durch entsprechende hochwertige Gestaltungskriterien und die Vielfalt der in einem offenen Wettbewerb erreichbaren Lösungen auch den gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber der „Platte“ zu begegnen. Diese soll so nicht als Weg zurück erscheinen, sondern im Zuge der bautechnischen Entwicklung als pragmatische und qualitativ-gestalterisch kluge und zeitgemäß wirtschaftliche Lösung darstellbar werden.
  • Schönheit und Gestalt sollen kein Luxus – das Wohnen, Leben und Arbeiten und der Raum dafür sollten für jeden Menschen erschwinglich sein.

 

Der Wettbewerb sollte Teil vielfältiger Aktivierungsprozesse – sowohl im Bestandsumbau von Flächen und Gebäuden – als Stichworte dazu seien hier die Themen „Sanierungsstau“ und „Strukturwandel“ genannt – als auch in der „sozioökonomisch und ökologisch nachhaltigen“ Neu-Erschließung von Flächen – beim Neubau sein. Vielfältige Anreizsysteme sollen somit erprobt werden und zur Anwendung kommen, um diese Herausforderungen anzugehen. 

Letztlich geht es um nichts anderes als um den „sozialen Frieden“ in einem Land, das aufgrund seiner Geschichte und seines demografischen Profiles dringendst neue Formen der Integration und der Inklusion von Menschen aller sozialen und ethnischen Herkunft erproben sollte.

Auch das Thema „Bildungschancen“ und Zugang zu Bildungsmöglichkeiten sollte hier dann auch noch in diesem erweiterten Sinne genannt werden.

Lösungen sollen die „Resilienz“ – die Widerstands- und Lernfähigkeit von Städten und Regionen – und den darin und dazwischen lebenden Menschen verstärken. Die als Herausforderungen interpretierten Probleme sollen gemeinsam angegangen werden.

Die Erweiterung von Bildungsmöglichkeiten und die Schaffung von Grundelementen der Daseinsvorsorge für alle – Wohn- und Lebensraum und Arbeitsplätze bedingen grundsätzlich einander. Eine Gesellschaft, die diese Gestaltungsmöglichkeiten wahrnimmt und den Willen zur Gestaltbildung entwickelt, hat essentielle Lehren aus der Geschichte gelernt und kann sich glücklich schätzen.

 

Um hier nochmals auf meine Tätigkeit in Kabul 2009 / 10 zurückzukommen:
Dort waren wir kurz davor, das alte Plattenbauwerk der Sowjets, wo seinerzeit 7000 Leute gearbeitet hatten zu reaktivieren. Für eine dringend nicht nur dort erforderliche, dezentral funktionierende Kanalisation – eine „nachhaltige urbane Wasserwirtschaft“ für Kabul und dann auch andere Orte hätte es bald viel mehr Jobs und Ausbildungsmöglichkeiten gegeben.
Das Land sähe heute vielleicht anders aus.

 

Abschließend ist zum jetzigen Zeitpunkt (Anfang Dezember 2015) zu sagen: Natürlich bin ich nicht befugt zur Ausschreibung eines solchen Wettbewerbes.  Es gilt da, viele so genannte "Multiplikatoren" - von den Architektenkammern der Länder über deren Bauminister, Wohlfahrts- und Berufsverbände etc. bis hin zu privaten Kuratoren und Maklern einzubeziehen und entsprechend zu sensibilisieren im Hinblick auf die Erfordernis von gemeinsamen pragmatischen Strategien. 

 

Gleichwohl sollte dies durchaus zeitnah vonstatten gehen – in Anbetracht des Mangels und vieler anderer hier angedeuteter Faktoren:

Auch die Herstellung von Baukasten-Systemen für die von vielleicht 5-7 - vielleicht auch eher 10-12 Teams von Wettbewerbsgewinnern entwickelten „bezahlbaren Behausungen“ sollte optimalerweise bereits Anfang 2017 im Rahmen von Musterkatalogen einsatz- und industriell produktionsfähig werden. Die Anpassungsvorgänge im föderalen Baurecht sollen dabei gleichfalls parallel dazu bereits auf den Weg gebracht werden – innerhalb von dann hoffentlich programmatisch funktional ausgerichteten „konkurrierenden Gesetzgebungshierarchien“ zwischen Bund und Ländern. 

 

Bilder hier aus Kabul / Afghanistan, Bombay (Mumbai) / Indien,
Hangzoubay-West / China und Düsseldorf / Deutschland


 

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© Stefan Frischauf