klingt natürlich zunächst sehr hochtrabend - und verwirrend. Auch das oftmals von mir nach meiner Rücckehr vom Hindukusch 2010 geprägte Wort von der "Afghanisierung Europas" soll insofern hier kurz beispielhaft erläutert werden. Zumal in Anbetracht der Einschätzung des Landes als "sicheres Herkunftsland" für Flüchtlinge von Seiten der Bundesregierung.
Vor der "Asien-Premiere" des Dokumentarfilms "Slowly Slowly Mud and Lotus" von Shireen
Pasha in Kabul im September 2009 rezitierte der hier auch anfänglich porträtierte Stukkateur Ustad Bismillah mit bewegender Gestik ein Gedicht, das im Prinzip eine ähnliche
Botschaft enthielt wie Oskar Schindlers Ausspruch aus dem Film "Schindlers Liste" von Steven Spielberg aus dem Jahre 1993:
"Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze
Welt.“
Alleine die Tatsache, dass der aus Russland stammende, schon lange in den US lebende Kameramann von Shireen meinte, dass der begnadete Handwerker und in jeder Geste, jeder Miene sehr ausdrucksstark
auftretende Imam Ustad Bismillah aus Wardak ein "Taliban" sei verdeutlicht, wie wenig ALLE von "den Menschen in Afghanistan" in ihrer Velfalt - und ihrem tiefen Stolz wirklich wissen.
Nach mehr als 37 Jahren Krieg und Unsicherheit spricht die "Einschätzung" der deutschen Bundesregierung des Landes als "sicheres Herkunftsland" von Flüchtlingen den Realitäten auf den Böden der
Tatsachen dort für die meisten Menschen Hohn.
Was sind das für Menschen, die da warum hierhin gekommen sind?
Da ist die Familie aus Masar-e-Sharif, die im Januar 2017 seit 16 Monaten in Deutschland ist. Der Vater hat als Schneider dort gearbeitet - wahrscheinlich mindestens vom zehnten Lebensjahr an -
vielleicht auch früher. Immer gearbeitet. Die Mutter hat die drei Kinder zu Hause groß gezogen. Die Älteste der drei besucht eine Realschule. Sie spricht sehr gut Deutsch. Abends nach Erledigung
ihrer Hausaufgaben unterrichtet sie ihre Mutter in Deutsch - lesen und schreiben. Der Vater macht ein "Praktikum" in einem türkischen Lebensmittelgeschäft. Er kann weder lesen, noch schreiben, hat
auch keinen "Berufsabschluss".
Es bleibt zu hoffen, dass die Tochter ihn überzeugen kann, an mindestens zwei Wochentagen früher als 21 Uhr Feierabend zu machen und mit seiner Frau Deutsch - lesen und schreiben bei ihr zu lernen.
Und - dass Möglichkeiten geschaffen werden, in etwa einjährigen Kursen erfahrenen Handwerkern und Dienstleistern hier legale "Marktteilnahme" zu ermöglichen.
Unsere überalterte Gesellschaft braucht Kinder. Und - auch solche Familien.
Eine erzwungene Rückkehr wird diese zarten Ansätze - gerade auch für die wissensdurstige Tochter - letztlich aber für die ganze Familie zerstören. Und - die Perspektiven auf eine bessere Zukunft -
hier wie dort.
Eine afghanische Männergruppe in Düsseldorf brennt Mitte Januar 2017 vor Tatendrang in Anbetracht der Nachrichten vom Balkan, wo gerade in Serbien viele Flüchtlinge in menschenunwürdigen
"Behausungen" erfrieren. Sie möchten unbedingt helfen - ihren vielen Landsleuten und anderen, deren Leben dort bedroht ist.
Erstarrte "Symbolpolitik" von oben bewirkt nichts - außer Zerstörung und Ohnmacht.
Ein Teil des Prozesses, der von mir auch als die "Afghanisierung des alten Kontinents" bezeichnet wird.
Wer kann den verzweifelten afghanischen Männern helfen?
Menschen, die helfen und - die Dinge zu einem Besseren bewegen wollen - für andere - und für sich?
Die Logistik - Spendenkonto, Lager, Transportmöglichkeiten - wer kann und will das kurzfristig mit diesen afghanischen Männern organisieren und bereitstellen?
Natürlich kommen da viele Kriminelle. Auch Menschen, die das bald werden in ihrer Verwirrung.
Aber - es kommen eben auch Menschen wie der Polizist aus Masar-e-Sharif, der schon sehr gut Deusch spricht. Wie für so viele, die mit westlichen Organisationen zusammenarbeiteten wurde die
Bedrohungslage für ihn persönlich bald unerträglich. Das Verlassen des Landes wurde so zur einzigen Möglichkeit, weiter zu leben.
Seine Frau und die beiden kleinen Kinder wollen in Afghanistan bleiben. Trotz der auch für sie eigentlich erhöhten persönlichen Gefährdung.
Die Verdrängung der Zustände in einem "Rechtsvakuum" durch deutsche Behörden ist der eigentliche Skandal. Mafiabanden, Taliban und andere Kriminelle halten die Bevölkerung in Schach. Und - wenn man
da einmal im Fadenkreuz ist, dann gibt es kaum ein Entkommen.
"Menschenkenntnis" und "Lebenserfahrung" sollten uns dazu verhelfen, auch hier "die Spreu vom Weizen" zu trennen. Muslimische Erziehung macht oft gerade aus Jungen "kleine Paschas", die schnell
gewalttätig werden. Der Wert der "persönlichen Freiheit", der allzu häufig auch bei uns die Freiheit des anderen ausschließt - das macht es nicht leichter. "Gleichheit" und "Brüderlichkeit" bleiben
so immer mehr auf der Strecke. "Gleichmacherei" und "Uniformalität" im (Markt-) Konformismus macht jedoch alles noch schlimmer.
Eine unabhängige Justiz - also wieder funktionierende "Gewaltenteilung" - der damit verbundene "genauere Blick" auf das Einzel- und Familienenschicksal - aber auch die schnellere und wirksamere
Verurteilung von Straffälligen - auch deren schnellere Abschiebung - und eine nach diesen Maßstäben aufzubauende bessere internationale und inter-kulturelle Zusammenarbeit basierend auf den Regeln
der UN-Menschenrechtscharta und Art. 1 GG sind dringend erforderlich.