21. März 2025 Nouruz Mubarak! Schönen Frühlingsanfang! 5 Minuten Lesezeit
So könnte man eine Replik insbesondere auf den letzten Absatz hin hier im mit „Jetzt beginnt die spannende Wirtschaftspolitik“ betitelten Interview mit Jens Südekum, Volkswirtschaftslehrer an der Heinrich-Heine Uni in Düsseldorf überschreiben.
Bidenomics haben mit gigantischen Investitionspaketen auch „Joe next door’s and his wife’s“ Verdruss gesteigert und die Mehrheiten haben dann für Trump gestimmt. Die Inflation ist da (nur) ein wesentlicher Punkt.
US-Gesellschaft(en) sind andere als die unsere(n) hier. Also gilt es insbesondere im Hinblick auf die Menschen zwischen Aachen und Franfurt / Oder, Flensburg und Garmisch da genauer hinzusehen und zuzuhören. Und über diese Grenzen hinaus. Beginnt da also die „wirkliche Arbeit der Wirtschaftspolitik“? Vermag ein „Koalitionsvertrag“ zwischen zwei Parteien, der mit vielen vergangenen Versäumnissen aufräumen soll, aber auch viele Wahlversprechen an die jeweiligen Klientelsgruppen konterkariert, da „Abhilfe zu schaffen“? Welche „Umsetzungsdefizite“ sozialer und ökonomischer Programmatik(en) gilt es da anzugehen? Und welche Partner benötigen a) die Parteien und b) Wirtschaftspolitik dafür? Vor allem: c) wo sollten diese beiden Akteursgruppen darauf hinarbeiten, dass ihre Aktionsradien ihnen dazu verhelfen, zu „Akteurssphären“ heranzuwachsen?
Dies soll hier zunächst anhand dieser zwei Gruppen a und b erst einmal vor allem in ihren Randbereichen exemplarisch dargestellt werden.
a) Die Parteien betrachtet Jens Südekum hier primär als Regierungspartner, die auf der Basis eines „Koalitionsvertrages“ die Weichen für die nun beginnende besagte „wirkliche Arbeit der Wirtschaftspolitik“ stellen.
Der Vertrauensvorschuss einer Regierung aus so unterschiedlichen Partnern ist in diesen Zeiten indes genauso zu hinterfragen wie die Perspektive der vier Jahre, also der bis 2029 andauernden Legislatur. Und darüber hinaus.
Die (am 21. März 2025 noch nicht feststehenden) Regierungspartner CDU und SPD sind nicht aus Liebe miteinander verbunden. Die Zweckgemeinschaft dient eher dazu, überhaupt Handlungsfähigkeit im Rahmen der politischen Willensbildung und des letztlich daraus resultierenden Wählerauftrags zu erreichen. Wobei man gesamtgesellschaftlich durchaus von „Halbherzigkeit“ in Referenz zu diesem Wählerauftrag sprechen kann.
Wahlgewinner CDU hat mit dem Schuldenpaket für viele Anhänger einen Vertrauens- und Tabubruch begangen. Zudem wurden gerade die nun in der Opposition spielenden Grünen lange in dieser Hinsicht von der Union angegangen. „Realpolitischer Spielraum“ wird somit auch für die Konservativen schwerer händelbar.
„Juniorpartner“ SPD in dieser absehbaren Regierungskoalition hat nach dem schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl in ihrer langen Geschichte im Sinne der „Realpolitik“ der abgewählten Ampel erst einmal einen Achtungserfolg erzielt. Dies aber ist erst der Anfang von vielen der SPD bevorstehenden Zerreißproben. Denn letztlich müssen die Sozialdemokraten im Hinblick auf 2029 AfD 30+% eine höchst ambivalente Position einnehmen. Was die Partei zerreißen und letztlich zur Bedeutungslosigkeit verdammen könnte. An dem sie aber auch endlich wieder wachsen kann. Nach innen wie nach außen. So sie denn die nötigen Weichenstellungen vornimmt.
a.1) Die Opposition ist in diesem Kontext zuerst die „hinter der Brandmauer lauernde“ AfD. Ob und inwiefern die „Brandmauer“ in Seen aus Benzin gegründet ist und bisweilen zum Teil in Flammen aufgeht, die auch die Partner in der Regierungskoalition partiell anzusengen vermag: das wird das Bühnengeschehen der „Realpolitik“ 2025-29 zeigen.
Die Grünen als abgewählter Ampelpartner haben ihren ersten Achtungserfolg gegenüber der Union mit den 100 Mrd. für Klimaschutz erreicht. Wie sie aber gerade in dieser Hinsicht die erforderlichen Reformen bei der Überregulierung von Planungs- und Ausführungsprozessen im Hinblick auf Synergien auch zwischen Klimaanpassung und Sanierungsstau bei Infrastrukturen, Commons und Almenden pragmatisch anzugehen vermögen: das bleibt offen.
Die gerade bei jungen Wählern wieder erstarkten Linken werden dabei ihr Augenmerk auf das Treffen von „bottom-up“ und „Top-down“ lenken. Mit Reformen in Verwaltung und Behörden hin zu verschlankten Verfahren indes wird man sich einmal mehr eher schwertun. Dennoch bleibt zu hoffen, dass Pragmatismus und Realismus auch dort sich durchsetzen. Die Crux gegenüber den Sozialdemokraten und Grünen werden die Aufrüstung der Bundeswehr und gesamteuropäische Sicherheitsfragen sein. Auch dort bedarf es tiefgründigen Vertrauensaufbaus, um den Blick auf Wehrhaftigkeit und Resilienz und das Soldatentum per se als Kernelement einer in einem Verfassungsraum agierenden und sich entsprechend schützenden Gemeinschaft zu schärfen.
b) „Wirtschaftspolitik“ muss sich also ganz wesentlich diesen Vorgängen öffnen. Um in dieser Situation, zu diesen historischen Zeitpunkten „progressiv“, oder besser: „progredient und proaktiv“ agieren zu können. Das heißt dann auch, dass die Prozesshaftigkeit von jeglicher Art von Zusammenarbeit „bottom-up“ und „Top-down“ (an-) erkannt und eben auch fortgeführt wird.
Jens Südekum nennt als Beispiel für Überregulierung eine Düsseldorfer Rheinbrücke und die Planfeststellung dort bis 2040. Ob es sich um die Fleher oder um die Theodor-Heuss-Brücke handelt: auch wenn ggf. die Planfeststellung bald beschleunigt wird, so ist nicht viel gewonnen, wenn nachher in der Ausführung mehr Kosten- und Rechnungsprüfer als Handwerker und Bauarbeiter auf den Baustellen anzutreffen sind.
b.1) (Wirtschafts-)Politik muss sich also den wesentlichen intra- und extraparlamentarischen Diskursen öffnen. Diese Öffnungsvorgänge legen natürlich auch potentielle Verletzbarkeit offen, was grundlegende Überzeugungen und Gewissheiten in ihren Schnittstellen und Berührungspunkten betrifft. Sie müssen sowohl in vertikaler, als auch in horizontaler Richtung erfolgen. Das heißt denn auch, dass transdisziplinäre und prozessorientierte Zusammenarbeit allen Akteuren den Umgang mit Daniel Kahnemans „Misswollen“ und „Planungsfehlschlüssen“ abverlangt. Das Agieren dabei zwischen „System 1“: schnellem, eher intuitivem Denken und „System 2“: langsamem, eher bedächtigem und reflexivem Denken wird dabei zum Vorgang des Austarierens von Optionen an den entsprechenden „Erwartungshorizonten“. Bis auf den letzten Begriff entstammen alle in Anführungszeichen genannten Termini hier Kahnemans Ausarbeitungen zu „schnellem und langsamem Denken“. Dem zugrunde gelegt ist auch seine und Amos Tverskys „Neue Erwartungstheorie“ im Rahmen ihrer entsprechenden „Urteilsheuristik“.
c) Pragmatismus und Realismus sind gerade in diesen von Polykrisen geprägten Zeiten zu schärfen. Es sind die grundlegenden Themen der letztlich durch Kahneman und Tversky (neu) begründeten Verhaltensökonomik, die da zum Tragen und zum Einsatz kommen müssen von Seiten Wirtschaft und Politik. Den Menetekeln von „Deindustrialisierung“ und „Rechtsruck“ bis hin zur weiter gehenden Spaltung der Gesellschaft(en) in oben und unten, reich und arm, Ost und West, Nord und Süd, Migranten und Einheimische und mehr gegenübertretend müssen WIR schon Möglichkeiten der Begegnung und Interaktion, aber ganz maßgeblich auch der Teilhabe und Teilnahme zwischen den diversen Schichten und Klassen von Gesellschaft(en) anbieten.
Sei es Austausch und Zusammenarbeit, letztlich synergetische Vermittlung zwischen Privat- und Staatswirtschaft, also im erweiterten Sinne auch innerhalb von und zwischen Verwaltung und Entwicklung, Handel und Industrie, Handwerk und Planung und anderen von vielen Einzelnen mit durchaus gemeinsamen Interessen und Schnittmengen dazwischen getragenen Systemen, seien es die Erblast(en) zwischen letztlich auch den (Wert-)Systemen Ost- und Westdeutschlands: da stehen vielfältige und vielschichtige dia- und trialogische Maßnahmen zum Vertrauensaufbau an.
Letztlich gilt es, 2029 die dann nicht mehr erforderlichen „Brandmauern“ zum Um- und Weiterbau von Wohnungen, also Frei- und Schutzräumen für Menschen aller ethnischen und sozialen Herkünfte, die auch daran mitwirken wollen und für Maßnahmen der Anpassung von Städten und Regionen an Folgen der globalen Erderwärmung wiederzuverwenden. Und mehr, was überhaupt wieder kulturelle Mitten, also auch Interaktionsräume dazwischen, mittendrin und darüber hinaus schafft.
Sind Sie dafür bereit, Herr Südekum, Herr Schularick, Herr Fuest und Herr Hüther? Und Herr Merz und Herr Klingbeil und die vielen anderen da zwischen den Systemen „Wirtschaft“ und „Politik“? Und Staat und Gesellschaft und allen anderen Systemen, die letztlich auch im Plural hier aufgelistet sein könnten?
.